Briefwechsel zwischen Schönberg und Alban Berg



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© Arnold Schönberg Center Wien
Arnold Schönberg (re.) ersucht Alban Berg (li.), sich einer Vereinigung anzuschließen, die den Komponisten im Fall eines Wechsels der UE-Leitung mehr Spielraum ermöglichen sollte. Berg aber lehnte ab. Arnold Schönberg (re.)

Schönberg an Berg

Berlin-Charlottenburg, 4. 4. 1928
Arnold Schönberg
Charlottenburg 9
Nussbaum-Allee 17
Tel.: Westend 2266a


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Lieber Freund, wenn es dir zusagen sollte an beiliegender Aktion teilzunehmen – zwinge dich bitte nicht – so unterzeichne als Proponent und sende mir es sofort. Eventuell kannst du auch Frau Mahler dazu einladen und Bittner. Selbstverständlich bitte ich dich Webern zu fragen (ich habe kein Exemplar mehr). Schreker tut auch mit.

Wie geht’s? Dir u. Helene.

Viele herzlichste Grüße und:
fröhliche Ostern

Dein Arnold Schönberg

© Gerda Goedhart
Arnold Schönberg (1874–1951)

Berg an Schönberg

Wien, 10. 4. 1928
Berg, Wien XIII./1


Mit freundlicher Genehmigung der Alban-Berg-Stiftung

Tausend Dank, mein liebster Freund, für deine freundschaftliche Absicht, mich an Deiner Aktion als Proponent teilnehmen zu lassen. Aber ich muss leider von deiner Erlaubnis, »mich nicht zu zwingen« Gebrauch machen und Dir sagen, daß ich mich nicht traue, mitzutun. Ich kann es im augenblicklichen Zeitpunkt nicht riskieren, daß sich Hertzka – als Reaktion auf diese Aktion – auf den Geschäftsstandpunkt stellt, und meine monatliche Rente von 600 Schilling einstellt oder reduziert, eine Rente, die mein einziges Einkommen bedeutet (die paar Stundenhonorare zählen nicht), und für die meine Einnahmen aus meinen Werken dzt. keine Deckung bieten. (Ich schulde aus dieser seit erst 2 ¼ Jahren laufenden Rente – wenn auch nur rechnerisch, und nicht moralisch – heute bereits ca. 6000 Schilling.) Bei Dir ist das natürlich ganz etwas anderes: Die ganze Welt und damit auch Hertzka wissen, daß alle Dich betreffenden Spesen der UE, wenn auch nicht nächstes Jahr, so doch in absehbarer Zeit hundertfälltig hereinkommen. Auch Schreker kann – wenn auch in anderer Art, nämlich: auf Grund seiner 1000 Bühnenaufführungen – diktieren. Ich aber, mit meinen zwei Dutzend Wozzeck-Vorstellungen und der (nicht einmal sicheren) Aussicht auf eine weitere Annahme in – –Oldenburg, bin, wenn ich den Fortbestand meiner Rente in ihrem vollen Ausmaß für die nächsten Jahre (bis ich wieder eine Oper fertig habe) nicht gefährden will, von der persönlichen Geneigtheit Hertzkas abhängig. Denn mein bis 1932 laufender Vertrag bietet mir diesbezüglich nicht die geringste Sicherheit.

Ich brauche Dir nicht zu sagen, wie schwer mir diese Absage wird und wie gut ich weiß, daß, wenn Du mir darob bös bist, meine Bitte, es nicht zu sein, daran nichts ändern kann. Trotzdem wage ich diese Bitte …

Mit Bittner sprach ich ausführlich über diese Angelegenheit. Er findet die Gründung einer solchen Vereinigung – namentlich im Hinblick auf einen Wechsel in der UE-Leitung – für sehr nothwendig, glaubt aber, daß es, wenn es einmal dazu kommt, immer noch Zeit ist und leicht möglich wäre, eine solche Vereinigung gleichsam über Nacht zu bilden. Heute aber möchte er, der sich dem Hertzka auch menschlich sehr verbunden fühlt, für seine Person von einem solchen Schritt, den Hertzka unbedingt kränkend empfinden würde, absehen. Alma Mahler ist nicht in Wien. Ich sende ihr sofort eine Abschrift der zwei Drucksorten nach Venedig und nehme an, daß entweder Du oder ich postwendend – und wie eigentlich zu erwarten wäre: eine zusagende Antwort erhalten werden.

Ebenso verständige ich »unter Einem« Webern.

Deine liebe Frage, wie’s uns geht, klingt so, als hättest Du längere Zeit von mir nichts gehört. Hast Du denn meinen vor ca. 8–10 Tagen geschriebenen Brief nicht erhalten? Ich erzählte Dir ausführlich über Paris (wo’s herrlich schön) und über Zürich (wo’s scheußlich war) und über die dortige Jury-Sitzung der I.G.f.l.M.i.A., von deren Ergebnis mich nur das eine mit Genugtuung erfüllte, daß ich (außer Weberns Trio) für Österreich noch Zemlinskys III. Streichquartett durchsetzte. Hoffentlich ist nicht auch dieser Brief verloren gegangen!

Indessen ist nichts Neues vorgefallen, außer die immer noch hin und her gehenden -Verhandlungen mit S. Fischer-Berlin wegen der Pippa. Hauptmann besteht nach wie vor auf seiner 50%igen Tantièmen-Beteiligung, weiters auf 20% Textbuch- und 5% Noten-Anteil. Eine Zustimmung zu diesen außergewöhnlich drückenden Bedingungen fällt mir (u. auch Hertzka) sehr schwer. So daß ich diese Ostern weniger »fröhlich« als rathlos verbrachte. Hoffentlich ist es Dir und Deiner l(ieben) Frau und auch ihrer Frau Mama, die wir Euch alle herzlichst grüßen, in diesen Feiertagen recht gut gegangen! Und hoffentlich – ich bitte Dich nochmals darum – bist Du nicht böse

Deinem Alban Berg