Großes Welttheater



PDF herunterladen
Per E-Mail senden

Kritiken zur Uraufführung von Wolfgang Rihms Dionysos bei den Salzburger Festspielen 2010

Lüstern, luftig, voller Süße und konstruktiver Ironie ist diese Musik. Unmöglich, von all ihren Wundern zu berichten, die füllhornartig ausgekippt werden. Viele Instrumentationszaubereien stecken darin; einiges in der Feinheit der Stimmenführung, die mit flüssiger Opulenz gekoppelt ist, erinnert wieder einmal stark an die Meisterschaft des späten Richard Strauss. Aber vor allem steckt jede Menge Rihm in diesem neuen Rihmschen Werk. Die Zitate reichen von dem chromatischen Bach-Choral der Mänaden bis hin zum Meistersingervorspiel, vom Lied vom „Wanderer“, das Herr N. im Salon vorträgt – so lange, bis er den Kollegen „Gast“ buchstäblich unter den Tisch gesungen hat –, bis zu dem verdrehten Orchesterwalzer, den die Mädels dazu nutzen, stellvertretend einen Pappkameraden in Stücke zu reißen.
Eleonore Büning, Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Aus dem Graben steigen Klänge auf wie Nebel. Musik als Sphäre, als (Welt-)Atem.“

opernwelt

Rihm wäre nicht Rihm, herrschte dabei nicht dennoch der eigene Ton. Jede Form der Anbiederung an die Musik der Vergangenheit ist elegant umschifft, immer wieder kommt es zu Brüchen. Sei es, dass das Schimmernde des schönen Moments abgebrochen oder gestört wird; sei es, dass plötzlich eine unerwartet andere Richtung eingeschlagen wird. Gewiss erinnert die Eröffnungsszene mit ihren lachenden Frauen um den sprachlosen N. an die Rheintöchter aus Wagners „Ring“, spielt das zweite Bild mit der „Alpensinfonie“ von Richard Strauss und wartet das dritte mit einem allerliebsten Walzer auf. Doch kaum leuchtet es, platzt die Birne. So zum Beispiel in jenen Momenten, da der mit einer Ganztonreihe arbeitende, von Alban Berg in seinem Violinkonzert zitierte Choral „Es ist genug“ von Johann Sebastian Bach als Folie aufscheint; noch bevor man sich dessen bewusst geworden ist, bekommt die aufsteigende Bewegung wieder einen Halbtonschritt. 
Peter Hagmann, Neue Zürcher Zeitung

Rihm beherrscht dabei wie kaum ein anderer Komponist die Kunst des Übergangs. Kein kompositorisches Problem ist ihm zu komplex, als dass er es nicht blitzschnell wie ein Magier zum Verschwinden brächte. Tragik mündet ins Lächerliche, es schlägt dann Kapriolen, um diabolisch zu krakeelen, leise zu locken, todtraurig zu klagen, ausgelassen zu spotten, enthemmt zu lachen. Rihm führt vor, was und wie viel er kann. Und er führt zugleich vor, dass dieses Können einem existenziellen Ausdruckszwang folgt. So erwächst aus dem Geist der Musik heraus großes Welttheater.
Reinhard J. Brembeck, Süddeutsche Zeitung

I too was absorbed, as well as impressed and oddly moved.
Anthony Tommasini, New York Times