»Sie ist leuchtender«

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von Eric Marinitsch


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© Johannes Ifkovits
Philippe Jordan

Warum haben Sie sich für die »1. Kammersymphonie« in der Orchestrierung von 1914 entschieden?

Jordan: Was ich im Prinzip immer gesucht habe, war eine Fassung, die das Klangbild der originalen Kammersymphonie bewahrt, sie aber für ein größeres Orchester möglich macht, ohne sie zusätzlich zu verdoppeln oder noch Blech dazuzugeben. Die Gefahr ist da natürlich, dass Hauptstimmen, Nebenstimmen eventuell verloren gehen. Schönberg hat es sich am Anfang sehr leicht gemacht, indem er es ja dem Dirigenten überlassen hat: »Sie machen bitte eine Fassung nach Belieben.« Er hat aber sehr schnell gemerkt, dass das nicht ging. Und als ich dann gesehen habe, dass es ja diese Fassung von 1914 gibt, die Schönberg selber orchestriert hat, war ich unglaublich dankbar, endlich so eine Fassung gefunden zu haben, die dem wirklich entspricht, was ich gesucht habe.

Die Fassung von 1935 ist viel massiver orchestriert.

Philippe Jordan

Die »Kammersymphonie« zu orchestrieren, ist keine leichte Aufgabe. Wo sehen Sie die Herausforderung?

Jordan: Die große Frage ist immer: Wie macht man eine Orchesterversion von einem so kontrapunktisch komplexen Werk? Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder macht man das, wie das in der Zeit sehr üblich war: Man verdoppelt, man verdreifacht irgendwelche Motive, die man hört, gibt das speziellen Instrumenten, gibt das dem Blech, damit das noch deutlicher, noch schärfer durchkommt. Also, die Masse macht’s sozusagen. Aber man kann natürlich auch auf die andere Seite gehen. Man kann sagen: Nicht noch mehr Instrumente, nicht mehr verdeutlichen, sondern entschlacken, damit das Klangbild durch die Transparenz deutlicher herauskommt.

Wo liegt für Sie der Unterschied zwischen den beiden großen Fassungen 1914 und 1934/35?

Jordan: Der Hauptunterschied zwischen den beiden großen Fassungen ist, dass die Fassung von 1935 viel massiver orchestriert ist. Das ist wirklich großes Orchester, in Richtung eines Mahler-Orchesters und hat mit Kammermusik in dem Sinn nichts mehr zu tun. Und natürlich ist das Einschneidende der Einsatz des Blechs, der -Trompeten und der Posaunen. Das macht diese Fassung extrem symphonisch und extrem massiv. Damit es nicht durchgehend so massiv ist, lässt Schönberg – und das sind die spannenden Seiten dieser späten Fassung – in intimeren und in etwas heikleren Passagen oftmals das -Soloquartett der Streicher spielen, dass es dann auch wirklich mal kammer-musikalische Kontraste gibt. Das braucht er in der 1914er-Fassung nicht zu machen, da es im Grunde zwar immer noch ein sehr orchestrales Klangbild ist, aber sie ist als Klangbild einfach weniger aggressiv, sie ist -leuchtender, klarer, sie ist unaufdringlicher. Dadurch kommen die Stimmen besser zum Vorschein und darum ist es dann auch nicht unbedingt notwendig, größere Kontraste zu machen und manche Passagen, wie in der Kammerfassung, dann plötzlich solistisch spielen zu lassen.


Schönberg Arnold

1. Kammersymphonie (1906, 1914)
Fassung für Orchester | 22‘
3 3 4 3 - 4 0 0 0 - Str
Uraufführung: 1.11.2012 München, Münchner Philharmoniker,
Dir. Philippe Jordan